Mittwoch, 20. Juli 2011

Die Problemfindung

Also ich muss Ihnen schon sagen, nachdem ich in dieser Stadt schon länger lebe, habe ich ja so einige Ihrer Subkulturen und Szenen kennengelernt.
Bei den Linksrevolutionären is mir bald fad geworden, weil die faseln den ganzen Tag nur von ihren Revolutionsphantasien.
An der Drogenszene bin ich kurz angestreift, aber die nervten bald, weil sie immer nur vom letzten und dem nächsten Trip labern.
Am schlimmsten sind die Ökobewegten, wenn die den Mund aufmachen quillt eine unerträgliche Menge Tofu heraus.

So und jetzt bin ich geworfen. In die Subkultur der Hausfrauen. Nur diesmal kann ich nicht raus. Die verfolgen mich. Auf jedem Spielplatz. In jeder Krabbelgruppe. Im Kinderarztvorzimmer. Die sind überall. Und die haben auch nur ein Thema.
Tja dann heissts jetzt also mal anpassen.
Eines hab ich schon verstanden, also wie toll das eigne is und was es alles schon kann, das sind nur Aufwärmsubthemen.
Wirklich wichtig ist: es muss Probleme haben. Und zwar richtige PROBLEME!
Nun das wäre ansich kein Problem, Probleme sind leicht zu beschaffen.
Chiropraktiker verkaufen windschiefe Rippen im Dutzendpack. Bachblütler attestieren unrunde Nasenlöcher zum Familienpreis. Homöopathen, Psychopathen und was sonst noch alles frei rumläuft bieten Endlosprobleme in jederlei Format an.
Es ist heutzutage echt nicht mehr notwendig, keine PROBLEME zu haben!
"Hast du dein Kind noch nicht auf den neuesten Schlafrhythmus nach dem Mondschlammkalender der chinesischen Killimandscharoindianer umgestellt?"
Ach wie blöd ich mir immer in solchen Hausfrauenrunden vorkomm. Nicht einmal die einfachsten Hausfrauenproblemvokabeln versteh ich.
Also irgendwas muss ich machen. Fürs Zukaufen fehlts am Haushaltsbudget und der nötigen Menge Blödgläubigkeit, also muss ich selber was machen.
Nach langem Nachdenken hab ichs geschafft:

Mein Sohn ist verhaltensgestört
Also stellen Sie sich vor, wir leben ja in einer grossen Hauptstadt. Also als Grosshauptstädter hat man gewisse gesellschaftliche Regeln zu beachten. Man hat einander zu ignorieren! 1,8 Millionen Menschen die den ganzen Tag so tun als würden ihnen die anderen 1,8 Millionen gar nicht auffallen. Das ist Zivilisation! Und es ist gut so. Den wer will schon - von ein paar überdrehten Facebookern mal abgesehen - 1,8 Millionen Freunde haben?
Tja und was macht Söhnchen? Er ignoriert die Regeln der Ignoranz! Wenn wir in die Tramway einsteigen beäugt er alle Mitfahrenden tief, wer zurückschaut wird mit einem Lächeln belohnt und wer dann gar anfängt eine Koarl für ihn abzuziehen darf eigentlich nicht mehr austeigen. Die Fassaden der Gleichgültigkeit, ja die Fundamente unserer Kultur, zerbröseln mit einem Wimpernschlag.

Und ich bin auch verhaltensgestört
Denn von all diesen vielen freundlichen Begegnungen bleibt mir kaum eine in Erinnerung. Seltsamerweise verhaften sich nur die Seltsamen

Hievon folgen in Kürze also ein paar Beispiele:

Verhaltensgestört?

Im Bus.
Eine sehr schöne Frau, etwas jünger als Ich es bin - also definitiv within target range - spricht mich an.
"Wie kann man nur!
In diese Welt!
Heutzutage!
Also wie kann Mann nur!
In diese Welt!
Ein Kind setzen!
Was haben Sie da nur angerichtet!
Bei den heutigen Zuständen!
Was haben sie sich dabei nur Gedacht!
Wie kann man nur!..."
Und so weiter,
und so weiter.
Ich erspar Ihnen jetzt die Gesamtlänge des Sermons.
Jedenfalls habe ich etwa zur Halbzeit, mein herabgefallenes Unterkiefer wiedergefunden, in Normalposition zurückgefahren und dann hab ich mir das nocheinmal gründlich überlegt.
Also das mit dem Verhaltensgestört sein wird auch nix. Zu der Subkultur will ich auch nicht dazugehören.

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